class="sup">251 Herr Gunther ließ sich Kunde von seinen Freunden sagen,
Wer ihm auf der Reise zu Tode wär erschlagen,
Da hatt er nicht verloren mehr als sechzig Mann;
Die muste man verschmerzen, wie man noch Manchen
gethan.
252 Da brachten die Gesunden zerhauen manchen Rand
Und viel zerschlagener Helme in König Gunthers Land.
Das Volk sprang von den Rossen vor des Königs Saal;
Zu liebem Empfange vernahm man fröhlichen Schall.
253 Da gab man Herbergen den Recken in der Stadt.
Der König seine Gäste wohl zu verpflegen bat;
Die Wunden ließ er hüten und warten fleißiglich.
Wohl zeigte seine Milde auch an seinen Feinden sich.
254 Er sprach zu Lüdegeren: «Nun seid mir willkommen!
Ich bin zu großem Schaden durch eure Schuld
gekommen:
Der wird mir nun vergolten, wenn ich das schaffen kann.
Gott lohne meinen Freunden: sie haben wohl an mir
gethan.»
255 «Wohl mögt ihr ihnen danken,» sprach da Lüdeger,
«Solche hohe Geisel gewann kein König mehr.
Um ritterlich Gewahrsam bieten wir großes Gut
Und bitten, daß ihr gnädiglich an euern Widersachern
thut.»
256 «Ich will euch,» sprach er, «Beide ledig laßen gehn;
Nur daß meine Feinde hier bei mir bestehn,
Dafür verlang ich Bürgschaft, damit sie nicht mein Land
Räumen ohne Frieden.» Darauf boten sie die Hand.
257 Man brachte sie zur Ruhe, wo man sie wohl verpflag.
Und bald auf guten Betten mancher Wunde lag.
Man schenkte den Gesunden Meth und guten Wein;
Da konnte das Gesinde nicht wohl fröhlicher sein.
258 Die zerhaunen Schilde man zum Verschluße trug;
Blutgefärbter Sättel sah man da genug.
Die ließ man verbergen, so weinten nicht die Fraun.
Da waren reisemüde viel gute Ritter zu schaun.
259 Seiner Gäste pflegen hieß der König wohl;
Von Heimischen und Fremden lag das Land ihm voll;
Er ließ die Fährlichwunden gütlich verpflegen:
Wie hart war darnieder nun ihr Uebermuth gelegen!
260 Die Arzneikunst wusten, denen bot man reichen Sold,
Silber ungewogen, dazu das lichte Gold,
Wenn sie die Helden heilten nach des Streites Noth.
Dazu viel große Gaben der König seinen Gästen bot.
261 Wer wieder heimzureisen sann in seinem Muth,
Den bat man noch zu bleiben, wie man mit Freunden
thut.
Der König gieng zu Rathe, wie er lohne seinem Lehn:
Durch sie war sein Wille nach allen Ehren geschehn.
262 Da sprach der König Gernot: «Laßt sie jetzt hindann;
Ueber sechs Wochen, das kündigt ihnen an,
Sollten sie wiederkehren zu einem Hofgelag:
Heil ist dann wohl Mancher, der jetzt schwer
verwundet lag.»
263 Da bat auch um Urlaub Siegfried von Niederland.
Als dem König Gunther sein Wille ward bekannt,
Bat er ihn gar minniglich, noch bei ihm zu bestehn;
Wenn nicht um seine Schwester, so wär es nimmer
geschehn.
264 Dazu war er zu mächtig, daß man ihm böte Sold,
So sehr er es verdiente. Der König war ihm hold
Und all seine Freunde, die das mit angesehn,
Was da von seinen Händen war im Streite geschehn.
265 Er dachte noch zu bleiben um die schöne Maid;
Vielleicht, daß er sie sähe. Das geschah auch nach
der Zeit:
Wohl nach seinem Wunsche ward sie ihm bekannt.
Dann ritt er reich an Freuden heim in seines Vaters Land.
266 Der Wirth bat alle Tage des Ritterspiels zu pflegen;
Das that mit gutem Willen mancher junge Degen.
Auch ließ er Sitz’ errichten vor Worms an dem Strand
Für Die da kommen sollten in der Burgunden Land.
267 Nun hatt auch in den Tagen, als sie sollten kommen,
Kriemhild die schöne die Märe wohl vernommen,
Er stell ein Hofgelage mit lieben Freunden an.
Da dachten schöne Frauen mit großem Fleiße daran,
268 Gewand und Band zu suchen, das sie wollten tragen.
Ute die reiche vernahm die Märe sagen
Von den stolzen Recken, die da sollten kommen:
Da wurden aus dem Einschlag viele reiche Kleider
genommen.
269 Ihrer Kinder halb bereiten ließ sie Rock und Kleid,
Womit sich da zierten viel Fraun und manche Maid
Und viel der jungen Recken aus Burgundenland.
Sie ließ auch manchem Fremden bereiten herrlich
Gewand.
Abenteuer 5
Wie Siegfried Kriemhilden zuerst ersah
270 Man sah die Helden täglich nun reiten an den Rhein,
Die bei dem Hofgelage gerne wollten sein
Und den Königen zu Liebe kamen in das Land.
Man gab ihrer Vielen beides, Ross und Gewand.
271 Es war auch das Gestühle allen schon bereit,
Den Höchsten und den Besten, so hörten wir Bescheid,
Zweiunddreißig Fürsten zu dem Hofgelag:
Da zierten um die Wette sich die Frauen für den Tag.
272 Gar geschäftig sah man Geiselher das Kind.
Die Heimischen und Fremden empfieng er holdgesinnt
Mit Gernot seinem Bruder und beider Mannen da.
Wohl grüßten sie die Degen, wie es nach Ehren geschah.
273 Viel goldrother Sättel führten sie ins Land,
Zierliche Schilde und herrlich Gewand
Brachten sie zu Rheine bei dem Hofgelag.