Ihr sollt die Furt uns suchen hinüber an das Land,
Daß wir von hinnen bringen beides, Ross’
und Gewand."
1589 "Mir ist ja noch," sprach Hagen, "mein Leben nicht
so leid,
Daß ich mich möcht ertränken in diesen Wellen breit:
Erst soll von meinen Händen ersterben mancher Mann
In König Etzels Landen, wozu ich gute Lust gewann.
1590 "Bleibet bei dem Wasser, ihr stolzen Ritter gut.
So geh ich und suche die Fergen bei der Flut,
Die uns hinüber bringen in Gelfratens Land."
Da nahm der kühne Hagen seinen festen Schildesrand.
1591 Er war wohl bewaffnet: den Schild er bei sich trug;
Sein Helm war aufgebunden und glänzte hell genug.
Ueberm Harnisch führt’ er eine breite Waffe mit,
Die an beiden Schärfen aufs allergrimmigste schnitt.
1592 Er suchte hin und wieder nach einem Schiffersmann.
Da hört’ er Wasser rauschen; zu lauschen hub er an.
In einem schönen Brunnen that das manch weises Weib:
Die gedachten da im Bade sich zu kühlen den Leib.
1593 Hagen ward ihrer inne, da schlich er leis heran;
Sie eilten schnell von hinnen, als sie den Helden sahn.
Daß sie ihm entrannen, des freuten sie sich sehr.
Da nahm er ihre Kleider und schadet’ ihnen nicht mehr.
1594 Da sprach das eine Meerweib, Hadburg war sie genannt:
"Hagen, edler Ritter, wir machen euch bekannt,
Wenn ihr uns dagegen die Kleider wiedergebt,
Was ihr auf dieser Reise bei den Heunen erlebt."
1595 Sie schwammen wie die Vögel schwebend auf der Flut.
Da daucht ihn ihr Wißen von den Dingen gut:
So glaubt’ er um so lieber, was sie ihm wollten sagen.
Sie beschieden ihn darüber, was er begann sie zu fragen.
1596 Sie sprach: "Ihr mögt wohl reiten in König Etzels Land:
Ich setz euch meine Treue dafür zum Unterpfand:
Niemals fuhren Helden noch in ein fremdes Reich
Zu so hohen Ehren: in Wahrheit, ich sag es euch."
1597 Der Rede war da Hagen im Herzen froh und hehr!
Die Kleider gab man ihnen und säumte sich nicht mehr.
Als sie umgezogen ihr wunderbar Gewand,
Vernahm er erst die Wahrheit von der Fahrt in Etzels
Land.
1598 Da sprach das andre Meerweib mit Namen Siegelind:
"Ich will dich warnen, Hagen, Aldrianens Kind.
Meine Muhme hat dich der Kleider halb belogen:
Und kommst du zu den Heunen, so bist du übel
betrogen.
1599 "Wieder umzukehren, wohl wär es an der Zeit,
Dieweil ihr kühnen Helden also geladen seid,
Daß ihr müßt ersterben in der Heunen Land:
Wer da hinreitet, der hat den Tod an der Hand."
1600 Da sprach aber Hagen: "Ihr trügt mich ohne Noth:
Wie sollte das sich fügen, daß wir alle todt
Blieben bei dem Hofgelag durch Jemandes Groll?"
Da sagten sie dem Degen die Märe deutlich und voll.
1601 Da sprach die Eine wieder: "Es muß nun so geschehn,
Keiner wird von euch allen die Heimat wiedersehn
Als der Kaplan des Königs: das ist uns wohlbekannt,
Der kommt geborgen wieder heim in König Gunthers
Land."
1602 Ingrimmen Muthes sprach der kühne Hagen:
"Das ließen meine Herren schwerlich sich sagen,
Wir verlören bei den Heunen Leben all und Leib;
Nun zeig uns übers Wasser, allerweisestes Weib."
1603 Sie sprach: "Willst du nicht anders und soll die Fahrt
geschehn,
So siehst du überm Wasser eine Herberge stehn:
Darin ist ein Ferge und sonst nicht nah noch fern."
Weiter nachzufragen, des begab er nun sich gern.
1604 Dem unmuthsvollen Recken rief noch die Eine nach:
"Nun wartet, Herr Hagen, euch ist auch gar zu jach;
Vernehmt noch erst die Kunde, wie ihr kommt durchs
Land.
Der Herr dieser Marke der ist Else genannt.
1605 "Sein Bruder ist geheißen Gelfrat der Held,
Ein Herr im Baierlande: nicht so leicht es hält,
Wollt ihr durch seine Marke: ihr mögt euch wohl
bewahren
Und sollt auch mit dem Fergen gar bescheidentlich
verfahren.
1606 "Der ist so grimmes Muthes, er läßt euch nicht gedeihn,
Wollt ihr nicht verständig bei dem Helden sein.
Soll er euch überholen, so bietet ihm den Sold;
Er hütet dieses Landes und ist Gelfraten hold.
1607 "Und kommt er nicht bei Zeiten, so ruft über Flut
Und sagt, ihr heißet Amelrich; das war ein Degen gut,
Der seiner Feinde willen räumte dieses Land:
So wird der Fährmann kommen, wird ihm der Name
genannt."
1608 Der übermüthge Hagen dankte den Frauen hehr
Des Raths und der Lehre; kein Wörtlein sprach er mehr.
Dann gieng er bei dem Wasser hinauf an dem Strand,
Wo er auf jener Seite eine Herberge fand.
1609 Laut begann zu rufen der Degen über Flut:
"Nun hol mich über, Ferge," sprach der Degen gut,
"So geb ich dir zum Lohne eine Spange goldesroth;
Mir thut das Ueberfahren, das wiße, wahrhaftig Noth."
1610 Es brauchte nicht zu dienen der reiche Schiffersmann,
Lohn nahm er selten von Jemandem an;
Auch waren seine Knechte zumal von stolzem Muth.
Noch immer stand Hagen dießseits allein bei der Flut.