class="v">1268 Da wünschte sich auch anders nichts der edle Rüdiger,
Als daß er schauen dürfte die Königin hehr.
Er wuste sich so weise: könnt es irgend sein,
So müst er sie bereden, diesen Recken zu frein.
1269 Früh des andern Morgens nach dem Messgesang
Kamen die edeln Boten; da hub sich großer Drang.
Die mit Rüdigeren zu Hofe sollten gehn,
Die sah man wohlgekleidet, manchen Degen ausersehn.
1270 Kriemhilde die arme, in traurigem Muth
Harrte sie auf Rüdiger, den edeln Boten gut.
Er fand sie in dem Kleide, das sie für täglich trug:
Dabei hatt ihr Gesinde reicher Kleider genug.
1271 Sie gieng ihm entgegen zu der Thüre hin
Und empfieng Etzels Recken mit gütlichem Sinn.
Nur selbzwölfter trat er herein zu der Fraun;
Man bot ihm große Ehre; wer möcht auch beßre Boten
schaun?
1272 Man hieß den Herren sitzen und Die in seinem Lehn.
Die beiden Markgrafen sah man vor ihr stehn,
Eckewart und Gere, die edeln Ritter gut.
Um der Hausfrau willen sahn sie Niemand wohlgemuth.
1273 Sie sahen vor ihr sitzen manche schöne Maid.
Da hatte Frau Kriemhild Jammer nur und Leid.
Ihr Kleid war vor den Brüsten von heißen Thränen naß.
Das sah der edle Markgraf, der nicht länger vor ihr saß.
1274 Er sprach in großen Züchten: "Viel edles Königskind,
Mir und den Gefährten, die mit mir kommen sind,
Sollt ihr, Frau, erlauben, daß wir vor euch stehn
Und euch melden, weshalb unsre Reise sei geschehn."
1275 "Ich will euch gern erlauben," sprach die Königin,
"Was ihr wollt, zu reden; also steht mein Sinn,
Daß ich es gerne höre: ihr seid ein Bote gut."
Da merkten wohl die Andern ihren abgeneigten Muth.
1276 Da sprach von Bechelaren der Markgraf Rüdiger:
"Euch läßt entbieten, Herrin, Etzel der König hehr
Große Lieb und Treue hierher in dieses Land;
Er hat um eure Minne viel gute Recken gesandt.
1277 "Er entbeut euch freundlich Liebe sonder Leid;
Er sei stäter Freundschaft nun euch hinfort bereit
Wie Helken einst, der Königin, die ihm am Herzen lag:
Ihr sollt die Krone tragen, deren sie vor Zeiten pflag."
1278 Da sprach zu ihm die Königin: "Markgraf Rüdiger,
Wenn meines Herzeleides Jemand kundig war,
Der würde mir nicht rathen zu einem zweiten Mann:
Ich verlor der Besten Einen, die je ein Weib noch
gewann."
1279 "Was tröstet mehr im Leide", sprach der kühne Mann,
"Als freundliche Liebe? Wer die gewähren kann
Und hat sich den erkoren, der ihm zu Herzen kommt,
Der erfährt wohl, daß im Leide nichts so sehr als Liebe
frommt.
1280 "Und geruht ihr zu minnen den edeln Herren mein,
Zwölf reicher Kronen sollt ihr gewaltig sein.
Dazu von dreißig Fürsten giebt euch mein Herr
das Land,
Die alle hat bezwungen seine vielgewaltge Hand.
1281 "Ihr sollt auch Herrin werden über manchen werthen
Mann,
Die meiner Frauen Helke waren unterthan,
Und viel der schönen Maide, einst ihrem Dienst gesellt,
Von hoher Fürsten Stamme," sprach der hochbeherzte
Held.
1282 "Dazu giebt euch der König, gebot er euch zu sagen,
Wenn ihr geruht die Krone bei meinem Herrn zu tragen,
Gewalt die allerhöchste, die Helke je gewann:
Alle Mannen Etzels werden euch da unterthan."
1283 "Wie möchte jemals wieder," sprach die Königin,
"Eines Helden Weib zu werden gelüsten meinem Sinn?
Mir hat der Tod an Einem so bittres Leid gethan,
Daß ichs bis an mein Ende nimmermehr verschmerzen
kann."
1284 Die Heunen sprachen wieder: Viel reiche Königin,
Das Leben geht bei Etzeln so herrlich euch dahin,
Daß ihr in Wonnen schwebet, weigert ihr es nicht;
Mancher ziere Degen steht in des reichen Königs Pflicht.
1285 "Helkens Jungfrauen und eure Mägdelein,
Sollten die beisammen je Ein Gesinde sein,
Dabei möchten Recken wohl werden wohlgemuth.
Laßt es euch rathen, Fraue, es bekommt euch wahrlich
gut."
1286 Sie sprach mit edler Sitte: "Nun laßt die Rede sein
Bis morgen in der Frühe, dann tretet zu mir ein,
Daß ich auf die Werbung euch gebe den Bescheid."
Da musten Folge leisten die kühnen Degen allbereit.
1287 Als zu den Herbergen sie kamen allzumal,
Nach Geiselhern zu senden die edle Frau befahl
Und nach ihrer Mutter: den Beiden sagte sie,
Ihr gezieme nur zu weinen und alles Andere nie.
1288 Da sprach ihr Bruder Geiselher: "Mir ahnt, Schwester
mein,
Und gerne mag ichs glauben, dein Leid und deine Pein
Wird König Etzel wenden; und nimmst du ihn
zum Mann,
Was Jemand anders rathe, so dünkt es mich wohlgethan."
1289 "Er mag dirs wohl ersetzen," sprach wieder Geiselher.
"Vom Rotten bis zum Rheine, von der Elbe bis ans Meer
Weiß man keinen König gewaltiger als ihn.
Du magst dich höchlich freuen, heischt er dich
zur Königin."
1290 Sie sprach: "Lieber Bruder, wie räthst du mir dazu?
Weinen und Klagen das käm mir eher zu.
Wie sollt ich vor den Recken da zu Hofe gehn?
Hatt ich jemals Schönheit, um die ists lange geschehn."