1291 Da redete Frau Ute der lieben Tochter zu:
"Was deine Brüder rathen, liebes Kind, das thu.
Folge deinen Freunden, so mag dirs wohlergehn.
Hab ich dich doch so lange in großem Jammer gesehn."
1292 Da bat sie, daß vom Himmel ihr würde Rath gesandt:
Denn hätte sie zu geben Gold, Silber und Gewand
Wie einst, da er noch lebte, ihr Mann der Degen hehr,
Sie erlebe doch nicht wieder so frohe Stunden nachher.
1293 Sie dacht in ihrem Sinne: "Und sollt ich meinen Leib
Einem Heiden geben? Ich bin ein Christenweib;
Des müst ich billig Schelte von aller Welt empfahn;
Gäb er mir alle Reiche, es bliebe doch ungethan."
1294 Da ließ sie es bewenden. Die Nacht bis an den Tag
Die Frau in ihrem Bette voll Gedanken lag.
Ihre lichten Augen trockneten ihr nicht,
Bis sie hin zur Mette wieder gieng beim Morgenlicht.
1295 Nun waren auch die Könige zur Messezeit gekommen.
Sie hatten ihre Schwester an die Hand genommen
Und riethen ihr zu minnen den von Heunenland.
Niemand doch die Fraue ein wenig fröhlicher fand.
1296 Da ließ man zu ihr bringen, die Etzel hingesandt,
Die nun mit Urlaub wollten räumen Gunthers Land,
Wie es gerathen möge, mit Nein oder Ja!
Da kam zu Hofe Rüdiger: die Gefährten mahnten ihn da,
1297 Recht zu erforschen des edeln Fürsten Muth
Und zeitig das zu leisten; das dauchte Jeden gut;
Ihre Wege wären ferne wieder in ihr Land.
Man brachte Rüdigeren hin, wo er Kriemhilden fand.
1298 Da bat alsbald der Recke die edle Königin
Mit minniglichen Worten, zu künden ihren Sinn,
Was sie entbieten wolle in König Etzels Land.
Der Held mit seinem Werben bei ihr nur Weigerung
fand.
1299 "Sie wolle nimmer wieder minnen einen Mann."
Dawider sprach der Markgraf: "Das wär nicht recht
gethan:
Was wolltet ihr verderben so minniglichen Leib?
Ihr werdet noch mit Ehren eines werthen Recken
Weib."
1300 Nichts half es, was sie baten, bis daß Rüdiger
Insgeheim gesprochen mit der Königin hehr,
Er hoff ihr zu vergüten all ihr Ungemach.
Da ließ zuletzt ein wenig ihre hohe Trauer nach.
1301 Er sprach zu der Königin: "Laßt euer Weinen sein;
Hättet ihr bei den Heunen Niemand als mich allein,
Meine getreuen Freunde und Die mir unterthan,
Er sollt es schwer entgelten, hätt euch Jemand Leid
gethan."
1302 Davon ward erleichtert der Frauen wohl der Muth.
Sie sprach: "So schwört mir, Rüdiger, was mir Jemand
thut,
Ihr wollt der Erste werden, der rächen will mein Leid."
Da sprach zu ihr der Markgraf: "Dazu bin ich, Frau,
bereit."
1303 Mit allen seinen Mannen schwur ihr da Rüdiger,
Ihr immer treu zu dienen, und daß die Recken hehr
Ihr nichts versagen wollten in König Etzels Land,
Was ihre Ehre heische: das gelobt’ ihr Rüdigers Hand.
1304 Da gedachte die Getreue: "Wenn ich gewinnen kann
So viel stäter Freunde, so seh ichs wenig an,
Was auch die Leute reden, in meines Jammers Noth.
Vielleicht wird noch gerochen meines lieben Mannes
Tod."
1305 Sie gedachte: "Da Herr Etzel der Recken hat so viel,
Denen ich gebiete, so thu ich, was ich will.
Er hat auch solche Schätze, daß ich verschenken kann;
Mich hat der leide Hagen meines Gutes ohne gethan."
1306 Sie sprach zu Rüdigeren: "Hätt ich nicht vernommen,
Daß er ein Heide wäre, so wollt ich gerne kommen,
Wohin er geböte, und nähm ihn zum Mann."
Da sprach der Markgraf wieder: "Steht darauf, Herrin,
nicht an.
1307 "Er ist nicht gar ein Heide, des dürft ihr sicher sein:
Er ist getauft gewesen, der liebe Herre mein,
Wenn er auch zu den Heiden wieder übertrat:
Wollt ihr ihn, Herrin, minnen, so wird darüber
noch Rath.
1308 "Ihm dienen so viel Recken in der Christenheit,
Daß euch bei dem König nie widerfährt ein Leid.
Ihr mögt auch leicht erlangen, daß der König gut
Zu Gott wieder wendet so die Seele wie den Muth."
1309 Da sprachen ihre Brüder: "Verheißt es, Schwester mein,
Und all euern Kummer laßt in Zukunft sein."
Des baten sie so lange, bis sie mit Trauer drein
Vor den Helden willigte, den König Etzel zu frein.
1310 Sie sprach: "Ich muß euch folgen, ich arme Königin!
Ich fahre zu den Heunen, wann es geschehe, hin,
Wenn ich Freunde finde, die mich führen in sein Land."
Darauf bot vor den Helden die schöne Kriemhild
die Hand.
1311 Der Markgraf sprach: "Zwei Recken stehn in eurem
Lehn,
Dazu hab ich noch manchen: so kann es wohl geschehn,
Daß wir euch mit Ehren bringen überrhein,
Ich laß euch nun nicht länger hier bei den Burgunden
sein.
1312 "Fünfhundert Mannen hab ich und der Freunde mein:
Die sollen euch zu Diensten hier und bei Etzeln sein,
Was ihr auch gebietet; ich selber steh euch bei
Und will michs nimmer schämen, mahnt ihr mich
künftig meiner Treu.
1313 "Eure Pferdedecken haltet euch bereit;
Was Rüdiger gerathen hat, wird euch