1813 Als sie der edle Dietrich ihm entgegen kommen sah,
Liebes und Leides zumal ihm dran geschah.
Er wuste wohl die Märe; leid war ihm ihre Fahrt:
Er wähnte, Rüdger wüst es und hätt es ihnen offenbart.
1814 "Willkommen mir, ihr Herren, Gunther und Geiselher,
Gernot und Hagen, Herr Volker auch so sehr,
Und Dankwart der schnelle: ist euch das nicht bekannt?
Schwer beweint noch Kriemhild Den
von Nibelungenland."
1815 "Sie mag noch lange weinen," so sprach da Hagen:
"Er liegt seit manchem Jahr schon zu Tod erschlagen.
Den König der Heunen mag sie nun lieber haben:
Siegfried kommt nicht wieder, er ist nun lange
begraben."
1816 "Siegfriedens Wunden laßen wir nun stehn:
So lange lebt Frau Kriemhild, mag Schade wohl
geschehn."
So redete von Berne der edle Dieterich:
"Trost der Nibelungen, davor behüte du dich!"
1817 "Wie soll ich mich behüten?" sprach der König hehr.
"Etzel sandt uns Boten, was sollt ich fragen mehr?
Daß wir zu ihm ritten her in dieses Land.
Auch hat uns manche Botschaft meine Schwester
Kriemhild gesandt."
1818 "So will ich euch rathen," sprach wieder Hagen,
"Laßt euch diese Märe doch zu Ende sagen
Dieterich den Herren und seine Helden gut,
Daß sie euch wißen laßen der Frau Kriemhilde Muth."
1819 Da giengen die drei Könige und sprachen unter sich,
Herr Gunther und Gernot und Herr Dieterich:
"Nun sag uns, von Berne du edler Ritter gut,
Was du wißen mögest von der Königin Muth."
1820 Da sprach der Vogt von Berne: "Was soll ich weiter
sagen?
Als daß ich alle Morgen weinen hör und klagen
Etzels Weib Frau Kriemhild in jämmerlicher Noth
Zum reichen Gott vom Himmel um des starken iegfried
Tod."
1821 "Es ist halt nicht zu wenden," sprach der kühne Mann,
Volker der Fiedler, "was ihr uns kund gethan.
Laßt uns zu Hofe reiten und einmal da besehn,
Was uns schnellen Degen bei den Heunen möge
geschehn."
1822 Die kühnen Burgunden hin zu Hofe ritten:
Sie kamen stolz gezogen nach ihres Landes Sitten.
Da wollte bei den Heunen gar mancher kühne Mann
Von Tronje Hagen schauen, wie der wohl wäre gethan.
1823 Es war durch die Sage dem Volk bekannt genug,
Daß er von Niederlanden Siegfrieden schlug,
Aller Recken stärksten, Frau Kriemhildens Mann:
Drum ward so großes Fragen bei Hof nach Hagen gethan.
1824 Der Held war wohlgewachsen, das ist gewisslich wahr.
Von Schultern breit und Brüsten; gemischt war sein Haar
Mit einer greisen Farbe; von Beinen war er lang
Und schrecklich von Antlitz; er hatte herrlichen Gang.
1825 Da schuf man Herberge den Burgundendegen;
Gunthers Ingesinde ließ man gesondert legen.
Das rieth die Königstochter, die ihm viel Haßes trug:
Daher man bald die Knechte in der Herberg erschlug.
1826 Dankwart, Hagens Bruder, war da Marschall;
Der König sein Gesinde ihm fleißig anbefahl,
Daß er es die Fülle mit Speise sollte pflegen.
Das that auch gar willig und gern dieser kühne Degen.
1827 Kriemhild die schöne mit dem Gesinde gieng,
Wo sie die Nibelungen mit falschem Muth empfieng:
Sie küsste Geiselheren und nahm ihn bei der Hand.
Als das Hagen sah von Tronje, den Helm er fester
sich band.
1828 "Nach solchem Empfange," so sprach da Hagen,
"Mögen wohl Bedenken die schnellen Degen tragen;
Man grüßt die Fürsten ungleich und den Unterthan:
Keine gute Reise haben wir zu dieser Hochzeit gethan."
1829 Sie sprach: "Seid willkommen dem, der euch gerne sieht:
Eurer Freundschaft willen kein Gruß euch hier geschieht.
Sagt, was ihr mir bringet von Worms überrhein,
Daß ihr mir so höchlich solltet willkommen sein?"
1830 "Was sind das für Sachen," sprach Hagen entgegen,
"Daß euch Gaben bringen sollten diese Degen?
So reich wär ich gewesen, hätt ich das gedacht,
Daß ich euch meine Gabe zu den Heunen hätt
gebracht."
1831 "Nun frag ich um die Märe weiter bei euch an,
Der Hort der Nibelungen, wohin ward der gethan?
Der war doch mein eigen, das ist euch wohl bekannt:
Den solltet ihr mir haben gebracht in König Etzels
Land."
1832 "In Treuen, Frau Kriemhild, schon mancher Tag ist hin,
Den Hort der Nibelungen, seit ich des ledig bin,
Ihn ließen meine Herren senken in den Rhein:
Da muß er auch in Wahrheit bis zum jüngsten Tage sein."
1833 Die Königin versetzte: "Ich dacht es wohl vorher.
Ihr habt mir noch wenig davon gebracht hieher,
Wiewohl er war mein eigen und ich sein weiland pflag;
Nach ihm und seinem Herren hab ich manchen leiden
Tag."
1834 "Ich bring euch den Teufel!" sprach wieder Hagen,
"Ich hab an meinem Schilde so viel zu tragen
Und an meinem Harnisch; mein Helm der ist licht,
Das Schwert an meiner Seite: drum bring ich ihn euch
nicht."
1835 "Es war auch nicht die Meinung, als verlangte mich
nach Gold:
So viel hab ich zu geben, ich entbehre leicht den Sold.
Eines Mords und Doppelraubes, die man an mir
genommen,
Dafür möcht ich