den Haufen die Königin ersah,
In grimmem Muthe sprach sie zu den Helden da:
"Von solchem Unterfangen rath ich abzustehn:
Ihr dürft in so geringer Zahl nicht mit Hagen streiten
gehn.
1859 "So kühn auch und gewaltig Der von Tronje sei,
Noch ist bei weitem stärker, der ihm da sitzet bei,
Volker der Fiedler: das ist ein übler Mann:
Wohl dürft ihr diesen Helden nicht zu so wenigen
nahn."
1860 Als sie die Rede hörten, rüsteten sich mehr
Vierhundert Recken. Der Königin hehr
Lag sehr am Herzen die Rache für ihr Leid.
Da wurde bald den Degen große Sorge bereit.
1861 Als sie ihr Gesinde wohlbewaffnet sah,
Zu den schnellen Recken sprach die Königin da:
"Nun harrt eine Weile: ihr sollt noch stille stehn.
Ich will unter Krone hin zu meinen Feinden gehn.
1862 "Hört mich ihm verweisen, was mir hat gethan
Hagen von Tronje, Gunthers Unterthan.
Ich weiß ihn so gemuthet, er läugnets nimmermehr:
So will ich auch nicht fragen, was ihm geschehe
nachher."
1863 Da sah der Fiedelspieler, ein kühner Spielmann,
Die edle Königstochter von der Stiege nahn,
Die aus dem Hause führte. Als er das ersah,
Zu seinem Heergesellen sprach der kühne Volker da:
1864 "Nun schauet, Freund Hagen, wie sie dorther naht,
Die uns ohne Treue ins Land geladen hat.
Ich sah mit einer Königin nie so manchen Mann
Die Schwerter in den Händen also streitlustig nahn.
1865 "Wißt ihr, Freund Hagen, daß sie euch abhold sind?
So will ich euch rathen, daß ihr zu hüten sinnt
Des Lebens und der Ehre; führwahr, das dünkt mich gut:
Soviel ich mag erkennen, ist ihnen zornig zu Muth.
1866 "Es sind auch Manche drunter von Brüsten stark
und breit:
Wer seines Lebens hüten will, der thu es beizeit.
Ich seh sie unter Seide die festen Panzer tragen.
Was sie damit meinen, das hör ich Niemanden sagen."
1867 Da sprach im Zornmuthe Hagen der kühne Mann:
"Ich weiß wohl, das wird Alles wider mich gethan,
Daß sie die lichten Waffen tragen an der Hand;
Von denen aber reit ich noch in der Burgunden Land.
1868 "Nun sagt mir, Freund Volker, denkt ihr mir beizustehn,
Wenn mit mir streiten wollen Die in Kriemhilds Lehn?
Das laßt mich vernehmen, so lieb als ich euch sei.
Ich steh euch mit Diensten immer wieder treulich bei."
1869 "Sicherlich, ich helf euch," so sprach da Volker.
"Und säh ich uns entgegen mit seinem ganzen Heer
Den König Etzel kommen, all meines Lebens Zeit
Weich ich von eurer Seite aus Furcht nicht eines Fußes
breit."
1870 "Nun lohn euch Gott vom Himmel, viel edler Volker!
Wenn sie mit mir streiten, wes bedarf ich mehr?
Da ihr mir helfen wollet, wie ich jetzt vernommen,
So mögen diese Recken fein behutsam näher kommen."
1871 "Stehn wir auf vom Sitze," sprach der Fiedelmann,
"Vor der Königstochter, so sie nun kommt heran.
Bieten wir die Ehre der edeln Königin!
Das bringt uns auch beiden an eignen Ehren Gewinn."
1872 "Nein! wenn ihr mich lieb habt," sprach dawider
Hagen.
"Es möchten diese Degen mit dem Wahn sich tragen,
Daß ich aus Furcht es thäte und dächte wegzugehn:
Von dem Sitze mein ich vor ihrer Keinem aufzustehn.
1873 "Daß wir es bleiben laßen, das ziemt uns ganz allein.
Soll ich dem Ehre bieten, der mir feind will sein?
Nein, ich thu es nimmer, so lang ich leben soll:
In aller Welt, was kümmr ich mich um Kriemhildens
Groll?"
1874 Der vermeßne Hagen legte über die Schenkel hin
Eine lichte Waffe, aus deren Knaufe schien
Mit hellem Glanz ein Jaspis, grüner noch als Gras.
Wohl erkannte Kriemhild, daß Siegfried einst sie besaß.
1875 Als sie das Schwert erkannte, das schuf ihr große Noth.
Der Griff war von Golde, der Scheide Borte roth.
Ermahnt war sie des Leides, zu weinen hub sie an;
Ich glaube, Hagen hatt es auch eben darum gethan.
1876 Volker der kühne zog näher an die Bank
Einen starken Fiedelbogen, mächtig und lang,
Wie ein Schwert geschaffen, scharf dazu und breit.
So saßen unerschrocken diese Recken allbereit.
1877 Die kühnen Degen beide dauchten sich so hehr,
Aus Furcht vor Jemandem wollten sie nimmermehr
Vom Sitz sich erheben. Ihnen schritt da vor den Fuß
Die edle Königstochter und bot unfreundlichen Gruß.
1878 Sie sprach: "Nun sagt, Herr Hagen, wer hat nach
euch gesandt,
Daß ihr zu reiten wagtet her in dieses Land,
Da ihr doch wohl wustet, was ihr mir habt gethan?
Wart ihr bei guten Sinnen, ihr durftets euch nicht
unterfahn."
1879 "Nach mir gesandt hat Niemand," sprach er entgegen,
"Her zu diesem Lande lud man drei Degen,
Die heißen meine Herren: ich steh in ihrem Lehn;
Bei keiner Hofreise pfleg ich daheim zu bestehn."
1880 Sie sprach: "Nun sagt mir ferner, was thatet ihr das,
Daß ihr es verdientet, wenn ich euch trage Haß?
Ihr erschlugt Siegfrieden, meinen lieben Mann,
Den ich bis an mein Ende nicht gut beweinen kann."